Im ADR ist das Thema 1.000 Punkte-Regel im Unterabschnitt 1.1.3.6 = „Freistellungen in Zusammenhang mit Mengen, die je Beförderungseinheit befördert werden“ geregelt.
Durch den Begriff „Freistellungen“ kann schnell der Irrtum entstehen, dass keine weiteren Vorschriften anzuwenden sind. Der Autor dieses Artikels hält den Begriff „Erleichterungen“ für sinnvoller. Damit wird deutlich, dass für solche Beförderungen durchaus bestimmte Vorgaben, wie z.B. das Mitführen eines 2 kg ABC-Feuerlöschers, einzuhalten sind.
Gut geschultes Fahr-, Lager- und Büropersonal kann mit dieser Regel natürlich etwas anfangen und ist auch über die damit verbundenen Besonderheiten informiert. Dieser Artikel soll das Thema mit einem Beispiel zur Berechnung der Punkte vertiefen und anderen Branchen wie Handwerk, Landwirtschaft und dem Handel eine Hilfestellung sein.
In Transportbetrieben und Speditionen sind Beförderungspapiere mit den erforderlichen Gefahrgutangaben vorgeschrieben, weil es sich um Beförderungen für Kunden wie andere Betriebe oder Privatpersonen handelt. Das könnte auch Umzugsunternehmen betreffen. Gängige Beispiele für Beförderungspapiere sind Lieferscheine oder Frachtbriefe.
Wenn eine Beförderung ohne orangefarbene Tafeln an der Beförderungseinheit (z.B. Lieferwagen oder Lastzug) und mit Fahrpersonal ohne ADR-Schulungsbescheinigung durchgeführt werden soll, dann müssen die Gefahrgutangaben im Beförderungspapier (siehe Abschnitt 5.4.1 ADR) um die Angabe der Gesamtmenge und der Punkte je Beförderungskategorie ergänzt werden. In der Praxis wird diese Aufgabe vor der Beförderung vom Büropersonal übernommen.
Faustregel:
Werden im Beförderungspapier keine Punkte angegeben, ist der Transport sofort mit orangefarbenen Tafeln, kompletter ADR-Ausrüstung und vielen weiteren Details durchzuführen.
Da z.B. Handwerks-, Landwirtschafts- oder Handelsbetriebe unter bestimmten Bedingungen ohne ADR-Beförderungspapiere unterwegs sein dürfen, ist der Kenntnisstand zum Umgang mit der 1.000 Punkte-Regel auch für solche Betriebe wichtig.
Für die Anwendung/Nutzung der 1.000 Punkte-Regel ist die abgebildete Tabelle mit den Klassen 1–9 und weiteren Erklärungen nötig.
Tabelle aus Absatz 1.1.3.6.3 ADR
(zum leichteren Verständnis nach Gefahrklassen sortiert):
Die Angaben in der Spalte „Maximum (in Versandstücken ohne Fahrzeugkennzeichnung)“ können Verschiedenes bedeuten:
- für Gegenstände die Gesamtmasse in kg der Gegenstände ohne ihre Verpackungen (für Gegenstände der Klasse 1 die Nettomasse des explosiven Stoffes in kg; für gefährliche Güter in Geräten und Ausrüstungen, die im ADR näher bezeichnet sind, die Gesamtmenge der darin enthaltenen gefährlichen Güter in kg bzw. in Liter)
- für feste Stoffe, verflüssigte Gase, tiefgekühlt verflüssigte Gase und gelöste Gase die Nettomasse in kg;
- für flüssige Stoffe die Gesamtmenge der enthaltenen gefährlichen Güter in Litern;
- für verdichtete Gase, adsorbierte Gase und Chemikalien unter Druck der mit Wasser ausgeliterte Fassungsraum des Gefäßes in Litern.
Die Klasse 2 / Gase wird in der Spalte „Stoffe oder Gegenstände“ in verschiedene Gruppen eingeteilt.
Bedeutung / Eigenschaften / Gefahrzettel:
A = Erstickend = Gefahrzettel 2.2
C = Ätzend = Gefahrzettel 8/zusätzlich
F = Entzündbar = Gefahrzettel 2.1
O = Oxydierend = Gefahrzettel 5.1/zusätzlich
T = Giftig = Gefahrzettel 2.3 oder 6.1 zusätzlich
Für bestimmte Gase ist auch mehr als ein Buchstabe möglich. Im Beförderungspapier ist aber die Angabe des/der Gefahrzettel vorgeschrieben.
Die Tabelle wird benötigt, um über eine „Risikobewertung“ die Mengen für einen Transport mit oder ohne orangefarbene Tafeln und weiterer Vorgaben zu ermitteln.
Bei Beförderungen von nur einem gefährlichen Gut bzw. gefährlichen Gütern der gleichen Beförderungskategorie können die Mengen für Beförderungen ohne orangefarbene Tafeln direkt aus der Spalte „Maximum“ entnommen und ggf. zusammengerechnet werden.
Die Spalte „Faktor“ (zur Berechnung der ADR-Punkte = Tatsächliche Mengen mit den entsprechenden Faktoren multiplizieren und die errechneten Punkte zusammenzählen.)
Dies ist wichtig, wenn diverse gefährliche Güter aus verschiedenen Beförderungskategorien (welche wegen unterschiedlicher Eigenschaften nicht einfach zusammengerechnet werden können) gemeinsam befördert werden sollen.
Musterladung mit Berechnungsweg/-lösung
Für dieses Beispiel wurde auf weitere Angaben wie z.B. Tunnelbeschränkungscode verzichtet.
UN 1830 SCHWEFELSÄURE, 8, VG II, 100 Liter
UN 1230 METHANOL, 3 (6.1), VG II, 100 Liter
UN 1202 DIESELKRAFTSTOFF, 3, VG III, UMWELTGEFÄHRDEND, 200 Liter
UN 1072 SAUERSTOFF, VERDICHTET, 2.2 (5.1), 50 Liter
UN 0337 FEUERWERKSKÖRPER, 1.4S, Nettoexplosivstoffmasse 20 kg, Bruttomasse 28 kg
Die Angaben zu den gefährlichen Gütern können z.B. Beförderungspapieren oder Sicherheitsdatenblättern (Ab- schnitt 14) entnommen werden.
Wird etwas für einen Kunden befördert, ist ein Beförderungspapier mit weiteren Angaben nach Abschnitt 5.4.1 ADR vorgeschrieben. Soll die Beförderung ohne orangefarbene Tafeln (max. 1.000 Punkte) durchgeführt werden, müssen die Gesamtmenge + ADR-Punkte je Beförderungskategorie im Beförderungspapier angegeben sein. Viele Betriebe geben zusätzlich für jede Position der Ladung den errechneten Punktewert sowie die Gesamtsumme der Punkte an.
Lösungsweg:
Jede Position der Ladung wird zunächst der Klasse (Angabe direkt hinter dem Gefahrgutnamen) zugeordnet. In der Tabelle kann dann bei der jeweiligen Klasse das gesuchte Gefahrgut in der Spalte Stoffe oder Gegenstände zugeordnet werden. Wenn dort für das Gefahrgut die UN-Nummer nicht genannt ist, wird das Gefahrgut unter Klassifizierungscode/-Gruppe (= Klasse 1 und 2) oder der Verpackungsgruppe (= VG) I, II oder III eingeordnet. In den weiteren Spalten kann dann die Beförderungskategorie und der Faktor abgelesen werden.
Lösung für unser Beispiel:
Für weitere Pflichtangaben im Beförderungspapier siehe Abschnitt 5.4.1 ADR.
Für diese Beispielladung können somit die Erleichterungen für Beförderungen nach Unterabschnitt 1.1.3.6 ADR / 1.000 Punkte-Regel zur Anwendung kommen.
Wenn ein Betrieb legal auf ein Beförderungspapier verzichten darf, dann sind natürlich auch keine Angaben nach ADR erforderlich. Das betrifft z.B. unter bestimmten Bedingungen die „Handwerkerregel“ nach 1.1.3.1 c) ADR oder die Anwendung der Ausnahme 18 / GGAV. Trotzdem ist für alle verantwortlichen Personen die 1.000 Punkte-Regel ein wichtiges Thema um die Grenzen für evtl. genutzte Erleichterungen erkennen zu können. Auf weitere Details wie Verpackungsvorschriften, Kennzeichnungsvorschriften für Versandstücke, Zusammenladeverbote, Sondervorschriften oder Unterweisungspflichten wurde in diesem Artikel verzichtet.
In der nächsten Ausgabe der BERUFSKRAFTFAHRER-Zeitung wird auf Begleitpapiere und Ausrüstungsvorschriften für Beförderungen mit orangefarbenen Tafeln eingegangen.
Jörg Bolenius