Damit die Konjunktur in Deutschland nach der Corona-Krise wieder so richtig in Schwung kommt, braucht es einen reibungslosen Güterverkehr. Doch schon jetzt fehlen wieder viele Berufskraftfahrer. Und das Problem dürfte sich aus demografischen Gründen weiter verschärfen.
Ein Gegensteuern ist zwingend notwendig.
Leere Supermarktregale, lange Schlangen an den Zapfsäulen: Die kürzlich verbreiteten Bilder aus dem Vereinigten Königreich waren erschreckend und haben eindringlich gezeigt, wie sehr eine moderne Volkswirtschaft auf einen funktionierenden Güterverkehr angewiesen ist und was passiert, wenn es zuwenige Lkw-Fahrer gibt.
Doch auch wenn das Problem jenseits des Ärmelkanals durch den Brexit dramatisch verschärft wurde: Einen Mangel an Berufskraftfahrern gibt es auch in der Bundesrepublik – und er ist beileibe kein neues Phänomen:
In Deutschland fehlten zwischen 2015 und Anfang 2020 teils mehr als 20.000 Lkw-Fahrer
Nachdem durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen auch für Lkw-Fahrer die Zahl der offenen Stellen kurzfristig unter die Zahl der Arbeitslosen sank, ist mit der konjunkturellen Erholung in jüngster Zeit auch der Fachkräftemangel zurückgekehrt:
Im September 2021 gab es bereits wieder fast 6.700 mehr offene Stellen für Berufskraftfahrer als entsprechend qualifizierte Arbeitslose.
Wenn die deutsche Wirtschaft weiter aus der Corona-Krise herauswächst, dürfte auch der Bedarf an Brummifahrern weiter steigen. Dies wird die Fachkräftelücke noch vergrößern, was dann wiederum den Aufschwung auszubremsen droht.
Die Güterverkehrsbranche hat ein großes Nachwuchsproblem, das dringend gelöst werden muss
Ein wesentlicher Grund für den sich abzeichnenden Fahrerengpass ist das Alters- und Nachwuchsproblem in der Güterverkehrsbranche:
Im Jahr 2020 waren nur knapp 14 Prozent der Berufskraftfahrer im Güterverkehr unter 35 Jahre alt.
Zum Vergleich: Von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zählten gut 29 Prozent zu dieser Altersgruppe.
Auf der anderen Seite hatten fast 15 Prozent der Lkw-Fahrer im vergangenen Jahr bereits die 60 überschritten – gegenüber nur rund 9 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt.
Den Ernst der Lage verdeutlicht auch folgende Entwicklung: Während es im Jahr 2013 noch genauso viele 30- bis 35-jährige wie 60- bis 64-jährige Fahrer gab, stehen inzwischen je 100 Lkw-Fahrern im Alter zwischen 60 und 64 Jahren nur noch 64 Kollegen gegenüber, die 30 bis 35 Jahre alt sind. Die aus dem Job ausscheidenden Fahrer lassen sich also immer schwerer durch junge Arbeitskräfte ersetzen.
Beruf des Lkw-Fahrers ist kein Auslaufmodell
Zwar ist die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen Jahren gestiegen, doch längst nicht in ausreichendem Maße. Zudem werden viele Ausbildungsverträge vorzeitig wieder gelöst.
Teils schrecken junge Leute auch einfach deshalb davor zurück, den Fahrerberuf zu ergreifen, weil sie befürchten, schon in wenigen Jahren von automatisierten Fahrsystemen ersetzt zu werden. Dabei ist laut Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums das autonome Fahren im Lkw-Bereich noch weit von einer Markteinführung entfernt. Lkw-Fahrer werden also auch in Zukunft dringend gebraucht.
Einen Teil des Engpasses hierzulande können zwar ausländische Fahrer abfedern, deren Anteil an allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Berufskraftfahrern zwischen 2014 und 2019 von 11 auf 23 Prozent gestiegen ist. Doch das allein ist nicht die Lösung – der Fahrerberuf muss also auch für junge Leute aus Deutschland attraktiver werden. Drei mögliche Ansatzpunkte:
- Bessere Infrastruktur
Auch wenn die meisten Lkws im Nah- und Regionalverkehr unterwegs sind, ist für viele Lkw-Fahrer ein gut ausgebautes Raststättennetz auf den Fernverkehrsstraßen wichtig. Mehr Lkw-Parkplätze und bessere Serviceleistungen wie beispielsweise saubere Duschen, schnelles WLAN und eine dauerhafte Videoüberwachung der Anlagen könnten den Fahrern den Berufsalltag erleichtern.
- Klares Aufgabenprofil
Die Be- und Entladephasen sind für die Lkw-Fahrer oft Stress pur. Hier ließe sich durch eine bessere Logistikplanung viel Termindruck vermeiden. Außerdem gehört das Entladen und Kommissionieren von Waren nicht zur Kerntätigkeit der Fahrer – und dass sie diese Zusatzaufgaben dennoch übernehmen (müssen), wird häufig zu wenig wertgeschätzt. Letztlich sollten die Fahrer sich auf ihre Kernaufgabe – das Fahren – konzentrieren können, das wäre ein wichtiger Schritt hin zu besseren Arbeitsbedingungen und würde auch den Bedarf an Fahrern verringern.
- Imagekorrektur ist notwendig
Gute Bedingungen für den Job auf dem Bock zu schaffen, reicht aber nicht. Es geht auch darum, die Vorzüge des Fahrerberufs besser zu kommunizieren – nicht zuletzt, um mehr Frauen für eine entsprechende Berufsausbildung zu gewinnen. Denn derzeit sind weniger als 2 Prozent all jener, die in Deutschland auf der Straße Waren von A nach B transportieren, Frauen.
Quelle: iwd.de, Alexander Burstedde / Thomas Puls