„Forschung und Innovation spielen eine entscheiden Rolle dabei, die ‚Vision Zero‘ zu unterstützen und die Zahl der Unfälle und Todesfälle auf unseren Straßen drastisch zu senken“. Das sagte Markus Schulte, Kabinetts-Chef der EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Bildung, anlässlich der Präsentation des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2023 in Brüssel.
„Unser Programm ‚Horizont Europa‘ ist das größte Forschungs- und Innovations-Förderprogramm seiner Art in der Welt. Dieses Programm trägt unter anderem dazu bei, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Dazu gehört auch ein intelligenteres und sicheres Verkehrssystem“, so Schulte weiter.
Mit dem Hinweis, dass gerade bei der Entwicklung des automatisierten Fahrens die Sicherheit im Mittelpunkt stehen müsse, schlug er den Bogen zum DEKRA Verkehrssicherheitsreport.
Er ist der 16. seiner Art seit 2008. Er trägt den Titel „Technik und Mensch“ und beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld zwischen mehr Sicherheit und neuen Risiken, das durch die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung der Mobilität entsteht.
Alle Beteiligten seien aufgefordert, die Potenziale zur weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit bestmöglich zu nutzen, so Jann Fehlauer, Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH bei der Präsentation des Reports. „Eine wichtige Rolle kommt dabei insbesondere den Systemen des automatisierten und vernetzten Fahrens zu.“
Indem Fahrzeuge mit Assistenzsystemen ausgestattet werden und untereinander oder mit der Infrastruktur kommunizieren, könnten gefährliche Situationen frühzeitig erkannt und Unfälle vermieden oder ihre Folgen gemindert werden, so Fehlauer.
Gleichzeitig müsse bei aller sinnvollen Technik immer sichergestellt sein, dass diese den Fahrer oder die Fahrerin nicht ablenke oder gar überfordere.
„Grundvoraussetzung für den Einsatz von Assistenzsystemen ist, dass sie für alle Nutzer leicht verständlich sind. Ihre Bedienung darf nicht zu neuen Risiken oder Gefahren führen, mit denen die erzielten Erfolge in der Verkehrssicherheit wieder aufs Spiel gesetzt werden“, sagte Fehlauer.
Dass diese Gefahr durchaus besteht, zeigen die von DEKRA exklusiv für den Verkehrssicherheitsreport durchgeführten Untersuchungen – eine Studie mit Probanden zu Bedienkonzepten im Fahrzeug sowie eine forsa-Befragung. Die Ergebnisse werden im Report näher vorgestellt. In Fahrversuchen auf dem Gelände des DEKRA Technology Centers am Lausitzring in Brandenburg wurde außerdem der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen sogenannte Sensor-Dejustagen auf die Verkehrssicherheit haben können.
Mit weiteren Fahrversuchen zeigten die DEKRA Experten, dass das technische Potenzial von Notbremsassistenten in Lkw nicht von allen Herstellern ausgeschöpft wird und dass manche Systeme in ihrer Wirkung durch das Verhalten des Fahrers unbeabsichtigt beeinträchtigt werden können.
Verantwortung bleibt aktuell noch beim Menschen
Doch welche Assistenzsysteme in einem Fahrzeug auch immer verbaut sein mögen: Stand heute bleibt die Verantwortung beim Menschen. So müssen Fahrerinnen und Fahrer jederzeit die volle Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr richten und bei Bedarf eingreifen beziehungsweise die Systeme übersteuern. „Gerade sehr gut und zuverlässig funktionierende Systeme insbesondere etwa in den Bereichen Abstandsregelung und Spurhalten verleiten aber viele Verkehrsteilnehmer dazu, sich auch anderen Aufgaben als dem Fahren zuzuwenden“, gab Jann Fehlauer zu bedenken. Mehrere schwere Unfälle seien schon die Folge einer solchen Fehleinschätzung bezüglich der Systemauslegung gewesen. Kritisch könnten solche Systeme auch dann werden, wenn der Fahrer gesundheitliche Probleme bekommt und dies nicht erkannt wird. Mit weiter zunehmendem Automatisierungsgrad gehe zudem die alltägliche Fahrerfahrung zurück. „Sie ist aber gerade in den kritischen Fahrsituationen unabdingbar, in denen ein automatisiertes System wieder an den Fahrer übergibt“, so Fehlauer. Für diese Herausforderung gebe es aktuell noch keine befriedigende Lösung.
„Game Changer“ – aber sicher!
Automatisierte Fahrsysteme können nach Ansicht von Kristian Schmidt, Europäischer Koordinator für Straßenverkehrssicherheit, ein „Game Changer“ sein. „Vernetztes und automatisiertes Fahren hat ein großes Potenzial, die Mobilität sicherer und zugänglicher zu machen“, schreibt Schmidt im DEKRA Verkehrssicherheitsreport. Aus seiner Sicht ergeben sich aber auch neue Herausforderungen – etwa mit Blick auf Cybersicherheit sowie auf den sicheren Betrieb hochautomatisierter Fahrzeuge im Mischverkehr. „Wir müssen sicherstellen, dass automatisierte Fahrzeuge sicher sind, bevor wir sie auf Europas Straßen fahren lassen. Wenn die Typgenehmigung hier scheitert, kann die gesamte Technologie in Misskredit geraten“, so Schmidt.
Bei allen technischen Weiterentwicklungen im Kraftfahrzeugbereich darf nach Ansicht des DEKRA Automobil Geschäftsführers nie vergessen werden, dass die Akzeptanz und die Beachtung der entsprechenden Verkehrsregeln für jede Art von Verkehrsteilnahme ganz essenzielle Sicherheitsbausteine sind. In jedem Moment erfordere die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. „Bis auf weiteres ist und bleibt es der Mensch, der durch sein Verhalten den wesentlichen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr leistet.“
Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2023 „Technik und Mensch“ steht online unter
www.dekra-roadsafety.com zum Download zur Verfügung. Dort finden sich auch sämtliche Vorgänger-Reports inklusive weitergehender Inhalte, etwa in Form von Bewegtbildern oder interaktiven Grafiken.